Ein Moment des Gücks

Teil 2

Seine Gedanken kreisen unaufhörlich, ohne jedoch zu einem Ergebnis zu gelangen.
Thorsten trinkt sein restliches Bier aus, zahlt sogleich und läuft zu seinem Auto zurück. Er setzt sich hinters Steuer und fährt zu seiner Mutter, er muss einfach mit jemandem darüber reden.
Auf diese Weise erfährt seine Mutter mit Entsetzen, dass Thorsten heute Morgen auf seinem Schreibtisch in der neuen Wohnung einen Brief von Nathalie fand, indem sie ihm mitteilte, dass die Hochzeit nicht stattfinden wird. Auch erläutert er mit knappen Worten, warum Nathalie fortgefahren ist. 
„Stell dir vor, Mama, ich kann sie nicht erreichen, sie geht nicht ans Handy, in unserer Wohnung ist sie auch nicht, ich bin eben da gewesen, es ist niemand dort, sie ist einfach weg mitsamt einigen Kleidungsstücken. Ich weiß nicht was ich tun soll.“
Thorsten schlägt die Hände vors Gesicht:
„Mein Gott, warum tut sie das nur, warum nur, warum tut sie mir das an?“
Elisabeth Hellwig streichelt ihrem Sohn übers Haar:
„Mein lieber Thorsten, wenn es so ist wie du mir das aus dem Brief geschildert hast, dann darfst du trotz allem nicht so traurig sein, es zerreißt dir sonst das Herz. Nathalie hat ihren Weg jetzt allein beschritten und du kannst sie dabei nicht aufhalten. Wenn sie diesem Mann hörig ist, hast du keine Chance sie zurück zu bekommen. Du musst dich einfach damit abfinden und sie vergessen, so schwer wie es auch im Augenblick für dich sein mag, du musst diese Frau versuchen zu vergessen.“
Thorsten springt entsetzt vom Stuhl auf, seine Wangen sind gerötet vor Aufregung, man sieht ihm an, wie sehr ihn die Sache mitnimmt:
„Mutter, ich kann Nathalie nicht so einfach aufgeben, Nathalie bedeutet mir alles, wenn ich nur wüsste, wo sie ist, wo ich sie finden kann.“
„Und was bitte würdest du dann tun, sie nach Hause schleifen und anketten?“
„Ich würde mit ihr reden, sie müsste zu einem Psychiater, ihr muss doch geholfen werden, Mutter!“ 
Thorsten schreit es fast hinaus, völlige Verzweiflung hat ihn gepackt, die Erregung schüttelt förmlich seinen Körper:
„Meine Nathalie, ich bin immer so stolz auf sie gewesen, warum muss sie mir jetzt dieses antun?“
Er verbirgt sein Gesicht wiederum in seinen Händen: „Warum nur, warum?“
Aber es gibt ihm niemand eine Antwort darauf. Voller Mitleid schaut seine Mutter auf ihn, 'wie soll ich meinem Sohn Trost in dieser Stunde geben, wir haben uns doch alle so sehr an Nathalie gewöhnt, ihr fröhliches Lachen, ihr liebes Wesen, ihre tolle Stimme, alle aus der Familie haben Nathalie geliebt und jetzt dieses.' 
Elisabeth Hellwig geht zum Kühlschrank, sie nimmt eine Flasche mit Wasser heraus, dann stellt sie zwei Gläser dazu und schenkt ihnen ein:
„Komm trink mal einen Schluck Wasser, Alkohol würde dir im Augenblick nur schaden und dir deine Sinne noch mehr verwirren, obwohl ich selber auch einen Cognac jetzt gut vertragen könnte. Möchtest du heute Nacht hierbleiben, dein Zimmer steht dir immer noch zur freien Verfügung.“
Liebevoll fährt Mutter Hellwigs Hand über den Haarschopf ihres Sohnes.
„Nein, danke Mutter, ich werde mich in meine Wohnung begeben, vielleicht lässt Nathalie ja doch noch heute Abend etwas von sich hören. Vielen Dank das du mir zugehört hast, ich werde mich jetzt auf den Weg machen.“
Damit drückt er seiner Mutter einen Kuss auf die Stirn und verlässt das Haus seiner Eltern in der Hoffnung doch noch ein Zeichen von Nathalie zu erhalten. 
Nathalie aber lässt nichts mehr von sich hören, weder an diesem Abend noch in der darauffolgenden Zeit, sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Ihr Handy antwortet nicht und auch sonst schickt sie kein Lebenszeichen von sich.   
       
Nathalie indes ist mit einem Koffer und einer Reisetasche bestückt mit ihrem Golf nach Glückstadt weitergefahren. Dort wohnt ihre Freundin Leonie, mit der sie bereits in jungen Jahren, als sie beide im Reitstall in Neumünster eine Freundschaft verband, die sich dann während der Schulzeit auf der Holstenschule vertiefte und sich im weiteren Leben fortsetzte. Leonie hat Nathalie das Angebot gemacht, zunächst einmal vorübergehend bei ihr zu wohnen, bis sie eine eigene Bleibe gefunden hat und sich vielleicht einiges doch noch klären könnte.
Am Abend sitzen die beiden Freundinnen gedankenvoll beisammen. Leonie hat eine Flasche Rotwein geöffnet und beide sitzen sich wortlos gegenüber, es dauert jedoch nur einen Augenblick lang, dann prosten sie einander zu.
„Nun erzähl mal Nathalie, natürlich nur wenn du möchtest.“
„Ach Leonie, es war alles so schön mit Thorsten, wir waren so verliebt, dann ging ich nach Stuttgart. Ich war die zweite Besetzung in dem Musical „Miss Saigon“. Eines Abends begegnete ich einem Kollegen, Ronald, er spielte ebenfalls in dem Musical mit.
Ich weiß auch nicht, wie alles gekommen ist, plötzlich lag ich in seinem Bett. Wir waren wie wild aufeinander, wir schliefen fast jede Nacht miteinander. So etwas hatte ich in meinem Leben bisher noch nicht wahrgenommen, es war schon seltsam, immer wenn er mich berührte, konnte ich nicht anders, ich musste ihm einfach folgen. 
Ich fand mich erlöst, als die Saison zu Ende war und ich wieder nach Hause durfte. In den Armen von Thorsten konnte ich ihn vergessen. Alles wird wieder gut, sagte ich mir, ich werde Ronald bestimmt nicht wieder sehen und dann begannen Thorsten und ich gemeinsam Heiratspläne zu schmieden.“

                                   
                                                                                                                                                         

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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